Norbert Röttgen im Gespräch mit Bernd Großmann...

24.09.2021

Bernd Großmann vom Kreisverband der CDU Rhein-Sieg interviewte Norbert Röttgen zu dessen Zielen für die neue Wahlperiode

Bernd Großmann:
Welches ist Ihr erstes Ziel für die neue Wahlperiode?

Norbert Röttgen:
Seit der Unwetterkatastrophe befindet sich unsere Region im Ausnahmezustand. Die betroffenen Menschen haben jetzt Anspruch auf Hilfe – schnell und unbürokratisch. Das Aufbauhilfegesetz haben wir in einer Sondersitzung des Deutschen Bundestages beschlossen. Nun geht es um die Ausgestaltung, damit die konkreten Fragen der Betroffenen zügig beantwortet werden. Diese Aufgabe hat jetzt absoluten Vorrang und ich stehe dazu in ständigem Austausch mit den zuständigen Ministerien, aber z.B. auch der Kreditanstalt für Wiederaufbau.

Bernd Großmann:
Was wurde denn als Hilfen für die Flutopfer beschlossen?

Norbert Röttgen:
Zunächst der finanzielle Rahmen: Dem Fonds „Aufbauhilfe 2021“ werden Mittel in Höhe von bis zu 30 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Berücksichtigt werden u.a. Schäden in Privathaushalten und Unternehmen, in der Land- und Forstwirtschaft, im Bereich der Infrastruktur der Gemeinden, in kulturellen und wissenschaftlichen Einrichtungen unabhängig von ihrer Trägerschaft - aber auch Schäden, die Vereinen und Stiftungen entstanden sind, übrigens unabhängig davon, ob sie gemeinnützig sind oder nicht.

Bernd Großmann:
Die Hilfe für die Betroffenen steht jetzt an erster Stelle. Aber welche Lehren sind aus der Katastrophe zu ziehen?

Norbert Röttgen:
Ohne Zweifel ist in den Stunden und Tagen nach der Katastrophe nicht alles optimal gelaufen. Daraus müssen wir gemeinsam die richtigen Lehren ziehen. Aber gleichzeitig geht es um die Frage, wie es zu einer solchen Katastrophe kommen konnte. Die globale Erderwärmung schreitet wahrscheinlich schneller voran als bisher angenommen. Klar ist, dass wir dem Klimawandel deutlich entschlossener entgegentreten müssen. Unser Ziel, im Jahr 2045 klimaneutral zu sein, ist ein enormer Anspruch. Aber wir haben jetzt auch in unserer Region gesehen, dass wir wirklich keine Zeit mehr zu verlieren haben.

Bernd Großmann:
Schon die Corona-Pandemie, aber jetzt auch die Flutkatastrophe haben deutlich gemacht, dass es erhebliche Defizite mit Blick auf die Digitalisierung gibt. Welchen Stellenwert hat das Thema für sie?

Norbert Röttgen:
Einen sehr hohen! Wir haben in der Pandemie einen Digitalisierungsschub erlebt, der fortgesetzt und weiter beschleunigt werden muss. Die wirtschaftliche Entwicklung einer Region hängt ebenso von der Leistungsfähigkeit der Netze ab wie die Attraktivität als Lebens- und Arbeitsort. In den letzten Monaten haben wir erfahren müssen, wie eng die Themen Bildungschancen und Breitbandausbau miteinander verbunden sind. Auch auf die Verkehrssituation wird die Digitalisierung einen zunehmenden Einfluss haben. Wer Homeoffice macht, muss nicht mehr in der Nähe seines Arbeitsplatzes wohnen. Dies wird sich auf die Attraktivität des ländlichen Raums auswirken. Und wer nicht von zu Hause aus arbeiten kann oder möchte, wird davon profitieren, dass sich durch weniger Berufspendler/innen die Verkehrssituation entspannt. Alle diese Entwicklungen setzen aber schnelles Internet voraus. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass der Breitbandausbau deutlich zügiger erfolgt als bisher. Ich freue mich, dass gerade in den letzten Monaten wieder in erheblichem Umfang Fördermittel des Bundes in unseren Wahlkreis geflossen sind. Das bleibt auch in der nächsten Wahlperiode für mich ein wichtiges Anliegen.

Bernd Großmann:
Unsere Region ist bekannt für ihre hohe Wohnqualität und attraktiv für die Ansiedlung von Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen. Was muss geschehen, damit das so bleibt?

Norbert Röttgen:
Eine wichtige Voraussetzung dafür ist der Erhalt einer guten Verkehrsinfrastruktur. Es geht um eine sinnvolle Ergänzung von Individualverkehr und ÖPNV. Viele Berufspendler wären bereit, vom Auto auf Straßenbahn, Bus oder Fahrrad umzusteigen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden. Daran müssen wir arbeiten. Aber wer ländlich wohnt, ist häufig auf das Auto angewiesen. Deshalb müssen wir – neben dem Ausbau des ÖPNV und der Radwege – auch die Leistungsfähigkeit der Straßen und Autobahnen gewährleisten. Wer die Situation auf den Rheinbrücken im Berufsverkehr kennt, kann nur zu dem Ergebnis kommen, dass eine weitere Rheinquerung eine erhebliche Entlastung bedeuten würde. Wichtig ist mir, dass die Wohnqualität in den betroffenen Orten nicht leidet und auch die Auswirkungen auf die Natur als starke Kriterien in die Entscheidung einfließen. Eine Tunnellösung könnte eine gute Lösung sein. Sie darf nicht an den Kosten scheitern.

Bernd Großmann:
Und welche Themen sind Ihnen über den Wahlkreis hinaus für die nächste Wahlperiode wichtig?

Norbert Röttgen:
Ich möchte mich auch in Zukunft für unsere deutschen und europäischen Interessen einsetzen. Die Lage bleibt turbulent. Die Entwicklung in Afghanistan ist schrecklich. Wir erleben eine humanitäre Katastrophe, in der es jetzt primär um die Rettung von Menschenleben geht und gehen muss. Aber darüber hinaus sollten wir die Entwicklung als außenpolitische Zäsur begreifen sowohl im Hinblick auf die veränderte Rolle der USA als auch auf eine notwendige neue Rolle Europas. Wir dürfen uns nicht weiter ausschließlich darauf verlassen, dass die Amerikaner unsere Interessen vertreten. Wir müssen als Europäer außenpolitisch erwachsen werden – in enger Kooperation mit den Vereinigten Staaten, die unser wichtigster Verbündeter sind und bleiben.
Als weitere große internationalen Herausforderungen möchte ich den Wettbewerb mit China nennen. Es geht dabei um wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, um Innovationen, aber auch um Menschenrechte und unsere Werte.
Uns in diesem Wettbewerb als Europäer umfassend zu behaupten, liegt ebenfalls in höchstem Maße in unserem Interesse.
Klar ist für mich: Deutschland als die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt und das stärkste Land innerhalb der Europäischen Union kann seine innere Sicherheit, seine gesellschaftliche Stabilität und seinen Wohlstand nur durch eine verantwortungsvolle und engagierte Außenpolitik gewährleisten. Ich möchte mich weiterhin als eine Stimme unseres Landes, die auch im Ausland gehört wird, für unsere Interessen einsetzen.

Bernd Großmann:
Vielen Dank für Ihre Antworten.